top of page

Mit Vollgas ins Klimachaos? – Wie rückwärtsgewandte Energiepolitik Deutschlands Zukunft gefährdet

Updated: 5 hours ago


Dr. Erich Merkle


Deutschland galt über Jahre hinweg als Vorreiter der Energiewende und als Innovationsmotor für erneuerbare Energien. Doch die Weichenstellungen der vergangenen Jahre und die aktuellen energiepolitischen Entscheidungen drohen, diesen Vorsprung zu verspielen. Während weltweit der Ausbau von Wind- und Solarenergie forciert wird, setzt die Bundesregierung unter Wirtschaftsministerin Katharina Reiche auf einen massiven Ausbau von Gaskraftwerken – und wiederholt damit Fehler, die schon einmal die deutsche Solarindustrie ins Abseits geführt haben.


Rückblick: Wie Altmaiers Politik die Solarindustrie verschenkte


Die Geschichte der deutschen Solarindustrie ist eine Geschichte verpasster Chancen. In den 2000er Jahren war Deutschland globaler Technologieführer, doch mit dem Amtsantritt von Peter Altmaier als Bundesumweltminister 2012 begann der Niedergang. Förderkürzungen, politische Unsicherheit und eine Reihe industriepolitischer Fehlentscheidungen sorgten dafür, dass deutsche Solarfirmen wie Q-Cells und Solon reihenweise Insolvenz anmeldeten. Während China seine Photovoltaikbranche strategisch aufbaute und zum Weltmarktführer wurde, verlor Deutschland in wenigen Jahren seine Vorreiterrolle. Die Ursachen lagen nicht nur in globalem Wettbewerb, sondern auch in einer Politik, die auf kurzfristige Marktmechanismen setzte und den langfristigen Wandel verschlief.


„Renaissance“ der Gaskraft: Ein Rückschritt mit Ansage


Heute droht unter Wirtschaftsministerin Reiche ein ähnlicher Fehler. Anstatt die Energiewende mit Nachdruck voranzutreiben, wird der Ausbau von Wind- und Solarenergie gebremst und stattdessen massiv auf neue Gaskraftwerke gesetzt. Mindestens 20 Gigawatt neue Kapazität sollen entstehen – mehr als im Koalitionsvertrag vereinbart und ohne die ursprünglich vorgesehene Wasserstofftauglichkeit. Die Begründung lautet Versorgungssicherheit und Preisstabilität. Doch damit werden Milliarden in eine fossile Infrastruktur investiert, deren CO₂-Bilanz und Abhängigkeit von Importen die Klimaziele konterkarieren. Experten warnen: Wer heute auf Gas setzt, schafft neue fossile Abhängigkeiten und blockiert Innovationen bei Speicher- und Netztechnologien.


Strombedarf 2045: Die unterschätzte Herausforderung


Ein besonders kritischer Punkt ist der Umgang mit der Strombedarfsprognose für das Jahr 2045. Während unabhängige Institute wie Fraunhofer ISE oder Agora Energiewende davon ausgehen, dass der Strombedarf durch die Elektrifizierung von Verkehr, Wärme und Industrie auf über 1.200 Terawattstunden steigen wird, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Prognose an das Energiewirtschaftliche Institut der Universität zu Köln (EWI) vergeben – ein Institut mit enger Vergangenheit zur fossilen Energiewirtschaft. Noch gravierender: Die Vorgabe an das EWI lautet, nur den Bedarf der heutigen Verbraucher zu berücksichtigen und den absehbaren Mehrbedarf durch Wärmepumpen, E-Mobilität und Rechenzentren auszublenden. So werden bis zu 45 Prozent des künftigen Strombedarfs systematisch unterschlagen und der tatsächliche Ausbaubedarf für Erneuerbare künstlich klein gerechnet. Das ist nicht nur wissenschaftlich fragwürdig, sondern gefährdet auch die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.


Batteriespeicher: Die unterschätzte Schlüsseltechnologie


Während Gaskraftwerke im politischen Diskurs dominieren, werden zentrale Lösungen der Energiewende wie Batteriespeicher vernachlässigt. Dabei sind sie essenziell, um wetterbedingte Schwankungen bei Wind und Sonne auszugleichen, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Integration erneuerbarer Energien zu ermöglichen. Batteriespeicher bieten die Möglichkeit, Strom zu speichern und bedarfsgerecht bereitzustellen, Arbitrage und Netzdienstleistungen zu nutzen und den Eigenverbrauch zu optimieren. Marktanalysen zeigen, dass Großspeicher längst wirtschaftlich betrieben werden können und ihre Amortisationszeiten stetig sinken. Dennoch fehlt es an gezielter Förderung und Markteinführung.


Lektionen aus der Geschichte: Die Gefahr falscher Prognosen


Die Geschichte lehrt, wie gefährlich es ist, sich auf kurzfristige Trends und vermeintliche Expertenmeinungen zu verlassen. In strategischen Langfristprognosen erinnere ich regelmäßig an berühmte Fehleinschätzungen: So hielt Western Union 1876 das Telefon für ungeeignet als Kommunikationsmittel („Das Telefon hat zu viele Schwächen, um ernsthaft als Kommunikationsmittel in Betracht gezogen zu werden.“). Thomas J. Watson, der damalige IBM-Chef, prophezeite 1943, es gebe einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer. Alfred P. Sloan von General Motors war in den 1930er Jahren überzeugt, die Nachfrage nach Autos werde bald gesättigt sein. Time Magazine erklärte 1966, Online-Shopping werde niemals funktionieren. Albert Einstein meinte 1932, die Kernenergie werde niemals eine bedeutende Rolle spielen. Und noch 2007 sagte Steve Ballmer von Microsoft, das iPhone werde keinen bedeutenden Marktanteil erreichen. Hätten sich Politik und Wirtschaft an solche Prognosen gehalten, wären viele der größten Innovationen nie Realität geworden.


Energiepolitik am Scheideweg


Deutschland steht an einer Weggabelung. Die aktuelle Energiepolitik droht, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und die Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Klimaziele aufs Spiel zu setzen. Die Zukunft braucht Mut, Innovation und eine ehrliche, wissenschaftsbasierte Planung. Oder, wie Molière es treffend formulierte:„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“



Mehr zum Thema gibt es in der aktuellen Folge unseres GridParity-Podcasts „Von Watt bis Vision – die ganze Welt der Photovoltaik“:



 
 
 

Comments


Adresse

GridParity AG

Siemensstr. 8

85221 Dachau

Kontakt

Tel: +49 8131 3307 560

Fax: +49 8131 3307 737

Mail: info@gridparity.ag

folgen Sie uns bei Social Media:

Öffnungszeiten

Mo - Do

Fr

08:00 – 12:30 Uhr

13:15 – 17:00 Uhr

08:00 – 12:30 Uhr

13:15 – 16:00 Uhr

  • YouTube
  • LinkedIn
  • Instagram
© GridParity AG
ISO_14001-2015.png
ISO_9001-2015_1.png
engineered-in-germany.png
creditreform_logo.png.jsf.png
bottom of page